Berliner Datenschutzbeauftragte appelliert an Parteien, den Datenschutz im Europawahlkampf zu achten

Pressemitteilung der Berliner Beauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit

Die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BlnBDI) Meike Kamp appelliert an die Parteien, beim Wahlkampf für die Wahlen zum Europäischen Parlament den Datenschutz zu achten. Die Parteien sollten auf Microtargeting bei digitaler Wahlwerbung verzichten und für Angriffe auf ihre IT-Systeme sowie Desinformation gewappnet sein, betont Kamp in einem Schreiben <https://www.datenschutz-berlin.de/fileadmin/user_upload/pdf/pressemitteilungen/2024/20240423-BlnBDI-Schreiben-Parteien.pdf> an alle im Bundestag vertretenen Parteien mit Sitz in Berlin.

Im Vorfeld von Wahlen nutzen Parteien zunehmend digitale Medien, um ihre Botschaften zu transportieren und Wähler:innen für sich zu gewinnen. Dabei setzen Parteien auch auf sogenanntes
Microtargeting in sozialen Netzwerken, also die gezielte Ausspielung von Werbebotschaften an Personengruppen basierend auf deren demografischen Daten, politische Interessen oder
Verhaltensweisen. Diese Daten werden zuvor im Hintergrund durch Werbenetzwerke mittels Tracking-Technologien erhoben, ausgewertet und bestimmten Interessenkategorien zugeordnet. Dadurch entstehen umfangreiche Nutzungsprofile, die es Werbenden ermöglichen, maßgeschneiderte Inhalte an ausgewählte Adressat:innen auszuspielen.

Neben den Online-Plattformen auf denen die Werbung geschaltet wird, tragen auch die Parteien eine rechtliche Verantwortung für die Datenverarbeitungen. Die Parteien nutzen die von den
Werbenetzwerken über potenzielle Wähler:innen gesammelten personenbezogenen Daten, indem sie daraus erstellte Interessenkategorien für die gezielte Ausspielung ihrer Wahlwerbung auswählen. Es besteht die Gefahr, dass das zielgenaue Ausspielen von politischer Werbung auf der Grundlage von umfassenden Nutzungsprofilen den öffentlichen Diskurs verzerrt, polarisierende Inhalte verstärkt und Debatten fragmentiert.

Meike Kamp, Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit: „Wahlwerbung, die auf der Grundlage von umfangreichen Nutzungsprofilen selektiv ausgespielt wird, birgt Risiken für die freie Meinungsbildung. Für die Adressat:innen dieser Werbung ist es schwer einzuordnen, was die
Werbenden veranlasst hat, speziell sie mit dem spezifisch zugeschnittenen Inhalt anzusprechen. Es steht zu befürchten, dass die Adressat:innen von Wahlwerbung nur noch mit dem konfrontiert werden, was sie individuell hören möchten, so dass zentrale Funktionen der Parteien wie die politische Willensbildung und die Anregung zum öffentlichen Diskurs auf der Strecke bleiben.“

In ihrem Schreiben an die Parteien warnt die Berliner Datenschutzbeauftragte auch vor den Gefahren von Desinformationskampagnen und Cyberangriffen. Desinformation kann verschiedene Formen annehmen, von gefälschten Nachrichtenartikeln und manipulierten Bildaufnahmen bis hin zu gezielten Social-Media-Kampagnen. Angriffe auf die IT-Infrastruktur einer Partei können in diesem Zusammenhang darauf abzielen, vertrauliche Informationen zu stehlen, um sie zur Verbreitung oder zur Legitimierung von Fehlinformationen zu nutzen.

Meike Kamp, Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit: „In den letzten Jahren haben wir eine Zunahme von Kampagnen erlebt, die darauf abzielen, die öffentliche Meinung zu manipulieren und das Vertrauen in demokratische Institutionen zu untergraben. Die Parteien sind mit in der Verantwortung, die Integrität unserer demokratischen Prozesse und die personenbezogenen Daten ihrer Mitglieder und Funktionsträger:innen zu schützen.“

Hintergrund:
Die BlnBDI ist die zuständige Aufsichtsbehörde für den Datenschutz aller öffentlichen und nicht-öffentlichen
Stellen im Land Berlin und damit für alle Parteien mit Hauptsitz in Berlin. Derzeit führt die BlnBDI Verfahren gegen die CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, AfD, Die Linke und FDP wegen der Nutzung von Microtargeting auf Facebook während der Bundestagswahl 2021. Die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.

Die Gefahren dieser Art von digitaler Wahlwerbung hat auch der Europäische Gesetzgeber erkannt und mit einer Verordnung neue Regeln für politische Werbung festgelegt <http://www.uldsh.de/politisches-targeting-dsk>, die jedoch in großen Teilen erst ab 2025
greifen.

Über den Datenschutz bei Wahlen informiert die BlnBDI auf ihrer Website und im Ratgeber „Wahlwerbung durch politische Parteien“ <https://www.datenschutz-berlin.de/themen/werbung/wahlwerbung/>.

Zur Einflussnahme auf Wahlen und demokratische Prozesse in der EU hat die Behörde für europäische politische Parteien und europäische politische Stiftungen (APPF) eine umfangreiche Studie <https://www.appf.europa.eu/appf/en/other-information/studies> veröffentlicht.
Das Europäische Kompetenzzentrum für die Bekämpfung hybrider Bedrohungen (Hybrid CoE) gibt in seinen aktuellen Studien Handlungsempfehlungen <https://www.hybridcoe.fi/all-content/?_themes=election-interference&_type=hcoe20_publications>, um den identifizierten Risiken zu begegnen.