Angst vor Transparenz?! Landesbeauftragter fordert Stopp der Novelle zur Änderung des Datenschutzgesetzes!
Veröffentlicht am:Pressemitteilung des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt vom 11.04.2023
Die Regierungsfraktionen haben einen Antrag auf Änderung des Landesdatenschutzgesetzes (DSAG LSA) in den Landtag eingebracht, mit dem die Wahl des Landesbeauftragten für den Datenschutz neu geregelt werden soll. Der Landesbeauftragte ist als Beamter Aufsichtsbehörde für den Datenschutz in Sachsen-Anhalt. Nach dem Gesetzentwurf soll bei der Neubesetzung seiner Stelle die Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung wegfallen. Stattdessen soll ein Vorschlagsrecht der Landtagsfraktionen für die Wahl im Landtag eingeführt werden.
Damit wird gegen die gesetzliche Vorgabe der Transparenz, also der Nachvollziehbarkeit für Dritte, verstoßen. Eine Ausschreibung ist die einzige Möglichkeit transparent zu machen, welche Kandidatinnen und Kandidaten überhaupt konkret in Betracht kommen. Das Zustandekommen eines Wahlvorschlages durch die Fraktionen lässt nicht erkennen, welche Kandidaten angesprochen wurden oder in den Blick genommen worden sind. Insbesondere gibt es keine Vorgaben für die Fraktionen, den Auswahlprozess zu dokumentieren und offenzulegen.
„Transparenz ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie. Sie verhindert Machtmissbrauch und Korruption und wird vom Gesetzgeber für die Wahl des Landesbeauftragten ausdrücklich eingefordert.“ führte Albert Cohaus, der amtierende Landesbeauftragte, aus.
Der Verzicht auf die öffentliche Ausschreibung verstößt sowohl gegen das europarechtliche Transparenzgebot nach Art. 53 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) als auch gegen die Pflicht zur Stellenausschreibung gem. § 9 Landesbeamtengesetz LSA. „Hinterzimmerentscheidungen“ und „politischen Mauscheleien“ würden damit Tür und Tor geöffnet.
Die Begründung des Gesetzentwurfes geht mit keinem Wort auf die Frage der europarechtlich vorgeschriebenen Transparenz ein. Des Weiteren wird auch ein möglicher Verstoß gegen die Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) konkretisierende Ausschreibungsverpflichtung des Landesbeamtengesetzes nicht thematisiert. Diese Verstöße wurden beim vorliegenden Gesetzentwurf (https://www.landtag.sachsen-anhalt.de/fileadmin/files/drs/wp8/drs/d2255rge.pdf) offenbar nicht erkannt. Das gleiche gilt für den individuellen Anspruch potentieller Bewerber auf ein Bewerbungsverfahren nach Art. 33 Abs. 2 GG.
Der Thüringer Rechnungshof ist im Rahmen einer Sonderprüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass für öffentliche Stellen grundsätzlich eine Ausschreibungspflicht besteht (https://www.thueringer-rechnungshof.de/files/186E0098A99/Sonderbericht.pdf). Der Landesbeauftrage für Datenschutz regt daher auch für Sachsen-Anhalt eine solche Prüfung an.
Hierfür muss das Gesetzgebungsverfahren jetzt ausgesetzt oder abgebrochen werden.
Hintergrundinformationen:
Der Landesbeauftragte ist als Person die Aufsichtsbehörde für den Datenschutz in Sachsen-Anhalt. Er ist kein politischer Beamter. Vielmehr sind zwingende sachliche Zugangsvoraussetzungen wie z. B. fachliche Qualifikation, Erfahrung und Sachkunde im Bereich des Datenschutzes, zu erfüllen. Die in § 21 Abs. 1 Satz 2 DSAG LSA geregelten Mindestanforderungen sind europarechtlich vorgegeben. Sie stehen daher nicht zur Disposition des Landtages.
Als Beamter auf Zeit unterliegt der Landesbeauftragte grundsätzlich den gesetzlichen Regelungen des Landesbeamtengesetzes für diesen Personenkreis. Somit gilt auch für seine Stelle die Pflicht zur Ausschreibung nach § 9 Abs. 1 Landesbeamtengesetz LSA.
Zur Erläuterung wird auf folgende Auszüge aus dem Sonderbericht des Thüringer Rechnungshof vom 13. März 2023 verwiesen:
- „Bei Einstellungen wird nur wirtschaftlich und sparsam verfahren, wenn die nach Artikel 33 Abs. 2 GG erforderliche Bestenauslese gewährleistet ist. Sinn und Zweck der Bestenauslese ist, die bestmögliche Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch das beste Personal sicherzustellen – so die objektiv-rechtliche Bedeutung des Art. 33 Abs. 2 GG. Das Personal in der Verwaltung soll durch Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichterfüllung eine stabile Verwaltung sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften bilden.“ (Seite 8)
- „Daneben gewährt Art. 33 Abs. 2 GG ein grundrechtgleiches Recht, den sogenannten Bewerbungsverfahrensanspruch. Danach hat jeder Bewerber um ein öffentliches Amt – oder bei fehlender Ausschreibung jeder, der von Amts wegen in eine Auswahlentscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Amtes einzubeziehen ist – das Recht, bei der Vergabe des öffentlichen Amtes nur aus Gründen unberücksichtigt zu bleiben, die im Einklang mit Art 33 Abs. 2 GG stehen. Will sagen: nur dann, wenn ein anderer besser ist.“ (Seite 8)
- „Grundsätzlich ist vor der Einstellung von Beamten eine öffentliche Ausschreibung notwendig“ (Seite 8)
(Anmerkung: In Sachsen-Anhalt: § 9 Absatz 1 Landesbeamtengesetz LSA) - „Unabhängig vom Umfang der Ausschreibungspflicht ist jedenfalls eine Bestenauslese durchzuführen. Dies gebietet sowohl die objektiv-rechtliche Komponente des Art. 33 Abs. 2 GG als auch der subjektiv-rechtliche Bewerbungsanspruch anderer potentieller Bewerber.“ (Seite 9)
- „Wird ein leistungsfremdes Kriterium – wie eine politische Ansicht – zum (alleinigen) Maßstab der Auswahlentscheidung erhoben, ist ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bestenauslese zu beanstanden. Nach Art. 3 Abs. 3 GG darf niemand wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“ (Seite 9).
- „Trotz aller Besonderheiten gilt auch für politische Beamte der Grundsatz der Bestenauslese uneingeschränkt. Art. 33 GG bestimmt, dass der Zugang zu allen öffentlichen Ämtern nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu erfolgen hat (Grundsatz der Bestenauslese). Dieses Prinzip dient dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen personellen Ausstattung des öffentlichen Dienstes, dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität gerade durch die ungeschmälerte Anwendung des Bestenauslesegrundsatzes gewährleistet werden soll.“ (Seite 20, 21)
Anmerkung: Wenn schon für politische Beamte eine Ausschreibungspflicht eingefordert werden kann, muss dieses erst recht für ’normale‘ Beamte gelten.
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