Pressemitteilung der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit
Am 27. Oktober 2021 endet die 5-jährige Amtszeit von Maja Smoltczyk als Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BlnBDI) nach Ablauf von fast sechs Jahren. Da sich das Parlament auch während der gesetzlich zulässigen 9-monatigen Verlängerung der Amtszeit von Frau Smoltczyk nicht auf eine Nachfolge einigen konnte, übernimmt ab dem 28. Oktober bis zu einer Neuwahl ihr Stellvertreter Volker Brozio die Behördenleitung.
Die Amtszeit von Maja Smoltczyk war von elementaren Umbrüchen im Datenschutz geprägt: Das Inkrafttreten der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) mit unmittelbarer Geltung in allen europäischen Mitgliedsstaaten gleich nach ihrer Ernennung leitete eine neue Ära ein – mit erheblichen Herausforderungen sowohl für alle datenverarbeitenden Stellen in Wirtschaft und Verwaltung als auch für die Aufsichtsbehörden. Diese fanden sich nunmehr in einem europaweiten Netzwerk der Zusammenarbeit wieder, für das völlig neue Verfahren entwickelt werden mussten.
“Die Europäisierung des Datenschutzrechts ist die Antwort auf eine über alle Grenzen hinweg digitalisierte Welt zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger und ihrer Grundrechte“, sagt Smoltczyk. In diesem Bewusstsein hat sich die Berliner Aufsichtsbehörde auf nationaler und auf europäischer Ebene sehr intensiv in den Prozess der praktischen Umsetzung der neuen europäischen Regeln eingebracht. Zahlreiche europaweit verbindliche Auslegungen wurden unter maßgeblicher Beteiligung der Berliner Behörde verfasst. Nur als ein Beispiel sei hier die intensive Mitarbeit an der Entwicklung von Empfehlungen zur Umsetzung der vom Europäischen Gerichtshof in seinem Schrems-II-Urteil definierten datenschutzrechtlichen Anforderungen an die Übermittlung von Daten in Drittstaaten genannt, die zur Unterstützung datenexportierender Unternehmen gedacht sind.
„Festzuhalten ist: Die DS-GVO hat das öffentliche Bewusstsein für den Schutz personenbezogener Daten enorm gestärkt“ so die Behördenleiterin Maja Smoltczyk. Dies ist nicht zuletzt an der erheblichen und dauerhaften Steigerung der Eingaben und Anfragen bei der Berliner Aufsichtsbehörde seit Wirksamwerden der DS-GVO im Mai 2018 abzulesen. Um diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden, mussten die Arbeitsprozesse der Behörde umfassend modernisiert und an die neuen Anforderungen angepasst werden. „Erfreulich ist, dass es nach intensiven Verhandlungen gelungen ist, eine dringend notwendige personelle und finanzielle Verstärkung der Behörde zur Bewältigung dieser Herausforderungen durch das Berliner Abgeordnetenhaus zu erreichen“, sagt Smoltczyk.
Thematisch war die Zeit vor allem geprägt durch Fragen des Datenschutzes im Zuge der Digitalisierung von öffentlicher Verwaltung und Schulen, der Verarbeitung von Daten in den Berliner Krankenhäusern und in der öffentlichen Gesundheitsverwaltung, durch die Beratung von Wirtschaft und Verwaltung hinsichtlich der Umsetzung der DS-GVO, die Begleitung zahlloser Gesetzesvorhaben sowie in den vergangenen zwei Jahren durch vielfältige Fragen in Verbindung mit Maßnahmen der Pandemie-Bekämpfung.
Unter Maja Smoltczyk richtete die Behörde eine Start-up-Sprechstunde ein, um junge Wirtschaftsunternehmen zu beraten, wie datenschutzrechtliche Anforderungen von Beginn an im jeweiligen Unternehmenskonzept umgesetzt werden können. Entwickelt wurden außerdem Unterrichtsmaterialien sowie eine Homepage speziell für Grundschüler*innen, deren Eltern und Lehrkräfte, um schon die Kleinsten im sicheren Umgang mit ihren Daten im Netz vertraut zu machen und Eltern und Lehrkräfte bei der Vermittlung dieses komplexen Themas zu unterstützen. Diese Angebote erfreuen sich enormer Beliebtheit und sind nunmehr fester Bestandteil der Arbeit der Berliner Behörde.
Mit ihrer weit über den Berliner Raum beachteten Prüfung von Videokonferenzsystemen hat die Behörde nicht nur Orientierung in und nach Pandemiezeiten gegeben, sondern auch ein deutlich erweitertes Angebot datenschutzkonformer Produkte bewirkt. Daneben schufen die neuen Befugnisse der Datenschutz-Aufsichtsbehörden zur Sanktionierung von Datenschutz-Verstößen auch neue Möglichkeiten der Durchsetzung der europäischen Regeln. An der Entwicklung eines deutschen und daran anschließend eines europäischen Bußgeldkonzepts wirkte die Behörde maßgeblich mit. Eine mehrere Wirtschaftsbereiche umfassende Überprüfung von Cookie-Bannern wurde gestartet und wird die Behörde noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Die durch den Ausbruch der Corona-Pandemie extrem beschleunigte Digitalisierung von Gesellschaft und Arbeitsleben verwies wie durch ein Brennglas auf umfassenden Nachholbedarf bei der Umsetzung grundlegender datenschutzrechtlicher Anforderungen. Hier konnten zwar mittlerweile wichtige Weichen gestellt und auch erfreuliche Erfolge erzielt werden, jedoch wird für die Nachfolge von Maja Smoltczyk in diesem Zusammenhang noch enormer Handlungsbedarf bestehen.
Im Bereich der Informationsfreiheit hat sich Frau Smoltczyk nicht nur für ein modernes Transparenzgesetz in Berlin, sondern intensiv auch für die Formulierung von Forderungen zur Transparenz algorithmischer Verfahren in der öffentlichen Verwaltung eingesetzt, die sich letztlich auch die Internationale Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten zu eigen gemacht hat.
Maja Smoltczyk zum Ende ihrer Amtszeit:
„Es war eine sehr spannende und herausfordernde Zeit und ich bin dankbar, dass ich an der Gestaltung dieser tiefgreifenden Veränderungen mitwirken durfte. In einer zunehmend digitalisierten Welt sind der verantwortungsvolle Umgang mit personenbezogenen Daten und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung essenziell, damit Menschen nicht zum reinen Objekt wirtschaftlicher oder politischer Interessen werden. Souveräne Menschen brauchen einen geschützten Raum, in dem sie nicht beobachtet werden, damit sie sich frei entfalten können. Letztlich ist der Datenschutz das grundrechtliche Korrektiv zur Digitalisierung.
Ich bedaure sehr, dass trotz gegenteiliger Ankündigungen bislang keine Evaluierung des Berliner Datenschutzgesetzes erfolgt ist. Darauf hinzuwirken wird genauso wie der Einsatz für ein Transparenzgesetz, das seinen Namen verdient, Aufgabe meiner Nachfolge sein. Der künftigen Leitung wünsche ich in diesem wichtigen Amt daher viel Tatkraft, Fortune und vor allem Standhaftigkeit. Sie oder er wird sich auf eine herausragend qualifizierte Behörde verlassen können, die bereitsteht, auch die zukünftigen Herausforderungen mit viel Engagement und Gestaltungsfreude zu meistern. Ich danke meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre vorbildliche Arbeit. Ohne ihre Fachkunde, ihre Einsatzfreude und ihren Idealismus wären die Erfolge der vergangenen Jahre nicht erreichbar gewesen.“