Pressemitteilung der Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten vom 16.05.2023
Die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte (SDTB) Dr. Juliane Hundert hat am Dienstag in Dresden ihren Datenschutz-Tätigkeitsbericht für das zurückliegende Jahr vorgestellt. Auf über 230 Seiten sind die Schwerpunkte der Datenschutzaufsicht, Statistiken, Hinweise zur Auslegung der Datenschutz-Grundverordnung, zur Sanktionspraxis und Datenschutz-Rechtsprechung zusammengefasst.
Facebook-Fanpages in der Kritik
Im Berichtszeitraum hat die SDTB ein aufsichtsrechtliches Verfahren gegen die Sächsische Staatskanzlei als Betreiberin einer Facebook-Fanpage eingeleitet (1.1). Dabei handelt es sich um ein Musterverfahren, denn auch andere Ministerien oder öffentliche Stellen sind auf der Plattform des Meta-Konzerns vertreten. Die Staatskanzlei hatte nach mehreren Fristverlängerungen schließlich Ende März 2023 eine Stellungnahme übersandt.
Dr. Juliane Hundert: »Ob ich der Staatskanzlei den Betrieb einer Facebook-Fanpage untersage, entscheidet die derzeitige datenschutzrechtliche Prüfung. Das Ergebnis liegt voraussichtlich in den kommenden Wochen vor. Unabhängig davon will ich noch einmal deutlich sagen: Es ist nicht die Aufgabe staatlicher Stellen, Facebook-Algorithmen mit Daten von Bürgerinnen und Bürgern zu füttern. Zumal eine Reihe an datenschutzfreundlichen Alternativen bereitstehen. Dazu zählen beispielsweise ein aktueller Internetauftritt, Newsletter oder soziale Netzwerke wie der Kurznachrichtendienst Mastodon.“
Zensus, Kommune und Polizei kontrolliert
Die SDTB befasste sich im Berichtszeitraum unter anderem mit dem Zensus 2022 (1.2). Zudem nahm sie nach Abklingen der Pandemie die Querschnittskontrollen bei Kommunen (1.3) wieder auf. „Bei Vor-Ort-Kontrollen habe ich mir die Datenverarbeitung genau angeschaut. Das Ergebnis war erfreulich. Sowohl bei der stichprobenartigen Kontrolle des Zensus als auch bei der überprüften Kommune wurde sorgsam mit den Daten der Bürgerinnen und Bürger umgegangen“, fasst Dr. Juliane Hundert zusammen.
Hingegen variierten die Ergebnisse bei der Kontrolle der Polizei. Im Fokus standen im Berichtszeitraum die besonders eingriffsintensiven Maßnahmen (8.5), wie beispielsweise die längerfristige Observation, Videoüberwachung, die elektronische Aufenthaltsüberwachung oder die Telekommunikationsüberwachung.
Dr. Juliane Hundert resümiert: »Während in vielen Fällen die Vorschriften des Sächsische Polizeivollzugsdienstgesetzes korrekt angewendet wurden, musste ich auch einige, teilweise gravierende Defizite feststellen. Beispielsweise enthielten die Anträge unzureichende Angaben zu Art und Umfang der geplanten Maßnahme. Auch habe ich festgestellt, dass Maßnah¬men für Zeiträume beantragt wurden, welche die gesetzlich normierte Höchstdauer weit überschritten. In mehreren Fällen wurden die betroffenen Personen nach Abschluss der Maßnahme nicht korrekt informiert. Insbesondere fehlten in den Benachrichtigungsschreiben zum Beispiel die Angabe der Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung, der Speicherdauer sowie der Rechte der Betroffenen. Weiterhin wurden die erhobenen Daten, die für die polizeiliche Arbeit nicht mehr erforderlich waren, nicht in allen Fällen unverzüglich gelöscht. Die Speicherung von Daten über einen für den konkreten erforderlichen Zweck hinausgehenden Zeitraum ist jedoch rechtswidrig.«
Im Ergebnis der Kontrollen wies die SDTB die betroffenen Polizeistellen auf die festgestellten Fehler hin und forderte sie zur dringenden Beachtung der gesetzlichen Anforderungen auf. Über die Feststellungen informierte Dr. Juliane Hundert auch das Innenministerium als oberste Aufsichtsbehörde und das parlamentarische Kontrollgremium des Landtags. Gemeinsam mit dem Staatsministerium wurde erörtert, wie zukünftig die Beachtung der gesetzlichen Anforderungen und damit die Rechtmäßigkeit der Datenerhebung und -verarbeitung durch die Polizei sichergestellt werden können.
»Ich habe die Erstellung von einheitlichen Prüfschemata und Mustern für die Beantragung, Durchführung und Nachbereitung der Maßnahmen angeregt. Die Beachtung gesetzlicher Vorgaben ist Grundlage rechtsstaatlichen Handelns und dient dem Schutz der Betroffenen und der Gewährleistung ihrer Rechte«, betont die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte.
Polizeiliche und private Videoüberwachung
In einem anderen Fall schaute sich die SDTB die polizeiliche Videoüberwachung an Straßen im Grenzgebiet im Raum Görlitz an (8.6.). »Den weiteren Ausbau der Videoüberwachung sehe ich sehr kritisch. Vor Ort habe ich deutlich gemacht, dass Videoüberwachung nur dann zulässig ist, wenn es sich um einen Kriminalitätsschwerpunkt handelt oder sie in einem Ermittlungsverfahren angeordnet wurde. Liegen diese Voraussetzungen nicht mehr vor, sind die Anlagen abzuschalten. Das muss dann auch deutlich für die Bürgerinnen und Bürger erkennbar sein. Hierzu bin ich im ständigen Austausch mit der Polizei vor Ort.«
Die rechtlichen Anforderungen an eine Videoüberwachung sind auch im nichtöffentlichen Bereich hoch. Im Berichtszeitraum setzte sich die SDTB unter anderem mit der Videoüberwachung in Spielhallen (2.2.21), im Kleingartenverein (2.2.20) und auf Privatwegen (2.2.22) auseinander. »Wer unzulässig eine Kamera betreibt, für den kann das zu einer kostspieligen Angelegenheit werden. Zum einen sprechen Zivilgerichte Betroffenen auch Schadenersatzansprüche zu. Zum anderen droht ein Bußgeld meiner Behörde«, sagt Dr. Juliane Hundert.
Zahlen und Daten
Unerlaubte Videoüberwachung bildete 2022 erneut den größten Anteil der Ordnungswidrigkeitenverfahren im nichtöffentlichen Bereich (6.4.2). Etwa zwei Drittel der Anzeigen (47) bezogen sich auf die Anfertigung von Videoaufnahmen. Generell waren im Berichtszeitraum 71 neue Ordnungswidrigkeitenanzeigen zu verzeichnen – die Anzahl bewegte sich damit geringfügig unter dem Niveau von 2021. Hingegen gab es im öffentlichen Bereich insgesamt 18 neue Verfahren (6.4.1).
Im Berichtszeitraum gingen 1.068 Beschwerden und Kontrollanregungen bei der SDTB ein. Das Aufkommen lag damit etwas unter dem der Vorjahre (2021: 1.254).
Dr. Juliane Hundert: »Auffällig ist, dass der Rückgang sowohl den öffentlichen als auch den nichtöffentlichen Bereich betraf und auch bei Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bundesländern zu verzeichnen war. Etwa zwei Drittel der in meiner Behörde eingehenden Beschwerden betreffen den Bereich der nichtöffentlichen Stellen, also mögliche Verstöße in Unternehmen oder durch Private.«
Ein leichter Rückgang zeigte sich ebenfalls bei den Beratungen. Mit 966 schriftlichen Anfragen registrierte die Behörde etwas weniger Vorgänge als in den ersten beiden Corona-Jahren (2021: über 1.100).
Der Trend bei der Meldung von Datenschutzverletzungen weist seit Jahren nach oben. »Im Berichtszeitraum meldeten Verantwortliche insgesamt 809 Datenpannen. Das waren weniger als 2021 (923), jedoch deutlich mehr als in den Vorjahren. Sollte es tatsächlich zu weniger Vorfällen gekommen sein, wäre dies vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung eine erfreuliche Entwicklung«, erläutert Dr. Juliane Hundert.
Wie in den Jahren zuvor waren die häufigsten Datenpannen der Fehlversand und der Verlust von postalischen Unterlagen, der offene E-Mail-Verteiler, das Abhandenkommen von Datenträgern durch Einbruch oder Diebstahl und das Abgreifen personenbezogener Daten durch Cyberkriminalität (4.4.1).
Großes Themenspektrum auch in 2022
Neben den Vorgängen, die im Zusammenhang mit Datenpannen standen, bearbeitete die SDTB eine Vielzahl an weiteren Datenschutzthemen: Auskunftsrecht (3.2.), Abo-Modelle im Online-Bereich (2.3.6) sowie Websites und Apps (4.1.1; 4.3.1). Außerdem drehte sich im Berichtszeitraum vieles um den Schutz und die Verarbeitung von Gesundheitsdaten, beispielsweise um den Auskunftsanspruch bei Patientenakten (3.2.3) oder die Übermittlung von Gesundheitsdaten an Inkassounternehmen (2.4.1). Auch die ergriffenen Maßnahmen zur Corona-Pandemie waren Anfang des Jahres 2022 noch ein Thema (1.4, 1.5, 2.2.8). Ferner hat die SDTB eine Reihe von Rechtsetzungsvorhaben begleitet (6.2.8).
Bezug des Tätigkeitsberichts Datenschutz 2022
Der Bericht der Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten kann über den zentralen Broschürenversand des Freistaates Sachsen kostenfrei bestellt werden: publikationen.sachsen.de